2022.04.13
In manchen Fällen ist die Errichtung eines Bauwerks nur möglich, wenn dafür der Grund des Nachbarn für die Dauer der Arbeiten in Anspruch genommen wird. Können sich der Bauführer und der Nachbar nicht auf diese Nutzung einigen, sieht beispielsweise § 7 der Niederösterreichischen Bauordnung eine Duldungspflicht vor. Die Behörde trägt bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen dem Nachbarn auf, dass dieser die Nutzung seines Grundstücks zu dulden hat. Dem Bauführer werden je nach Lage des Falles Auflagen erteilt, damit die Duldungspflicht des Nachbarn nicht überstrapaziert wird. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hatte kürzlich über eine Beschwerde eines Nachbarn zu entscheiden, der mit der Nutzung seines Grundstücks nicht einverstanden war.1
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gem. § 7 NÖ BauO dazu angehalten, die Inanspruchnahme seines Grundstücks durch den Nachbarn für einen festgesetzten Zeitraum und in einem festgelegten Duldungsbereich zum Zweck der Errichtung eines bewilligten Gebäudes zu dulden. Dem bauführenden Nachbarn wurden dazu mehrere Auflagen auferlegt, um den Grundstücksbesitzer vor Missbrauch zu schützen und die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes sowie den ungestörten Betrieb während der Arbeiten sicherzustellen. Die Eingriffe in das Eigentum wurden bewilligt, da die bauliche Maßnahme, nämlich das Errichten einer Winkelstützmauer, nicht ohne Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks vorgenommen werden konnte. Hierzu war u.a. die Errichtung eines Arbeitsgrabens auch auf der Seite des Nachbarn notwendig, um die Arbeiten durchführen zu können und nicht zuletzt, um die Sicherheit der Bauarbeiter zu gewährleisten. Bei den Eingriffen handelte es sich laut Feststellungen um das notwendigste Mindestmaß. Mit seinen Einwendungen im Berufungsverfahren war der Betroffene nicht erfolgreich. Daraufhin wurde Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erhoben. Der Beschwerdeführer führte aus, dass die Behörde nicht auf die zwischenzeitig unzulässig durchgeführten Arbeiten einging und daher die verschlechterten statischen Verhältnisse auf dem Grundstück nicht in Betracht gezogen hätten. Außerdem berief sich der Beschwerdeführer erneut auf die Möglichkeit, dass der Bauführer schlicht eine Gartenmauer errichten könnte, ohne sein Grundstück zu beanspruchen. Daher sei die Notwendigkeit dieser Bauführung zur verneinen. Die Maßnahmen seien unzulässig und unverhältnismäßig, zumal auch der landwirtschaftliche Betrieb des Beschwerdeführers durch die Grundbeanspruchung nicht geführt werden könne.
Das Landesverwaltungsgericht führte aus, dass die Errichtung einer Stützmauer an der Grundgrenze schon der Logik nach unter Inanspruchnahme des nachbarlichen Grundstücks erfolgen muss. Nach § 7 Abs 1 NÖ BO ist eine Duldungspflicht (nur) bei Vorliegen eines der taxativ aufgezählten Gründe geboten, wobei es sich stets nur um zeitlich begrenzte und keine dauerhaften Maßnahmen handelt. Nach vorangegangener Prüfung durch die zuständige Behörde ist bescheidmäßig über die Duldungspflicht abzusprechen, ob die Maßnahme notwendig ist und in welchem Umfang und für welche Dauer die Eingriffe zu dulden sind. In diesem Fall hat die Behörde die Notwendigkeit der Duldungspflicht bejaht. Die Argumente des Beschwerdeführers, die Kosten für die Grundbeanspruchung seien zu hoch und die Möglichkeit eine Mauer an einer anderen Stelle zu erbauen sind hier nicht mehr von rechtlicher Relevanz. Letzteres insbesondere deshalb, weil bereits eine rechtskräftige Baubewilligung vorlag.
Der Beschwerdeführer hatte auch argumentiert, dass er durch die Bauführung unzulässig Bauwerksteile und Unterfangungen auf seinem Grundstück dulden müsste. Aber auch dieses Argument griff in diesem Verfahren nicht (mehr): wie die Stützmauer zu errichten war, war bereits Gegenstand des Verfahrens über die Baubewilligung gewesen und diese war rechtskräftig. Somit wurde die Beschwerde abgewiesen.
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