VwGH: CBD-Öle sind Lebensmittel
Ra 2022/10/0141 (mit Ra 2022/10/0142), Beschluss vom 30.05.2025; ECLI:AT:VWGH:2025:RA2022100141.L00
Kurzfassung
In der Entscheidung ging es um die Einstufung zweier CBD-Öle (5 % und 10 %) als Lebensmittel (konkret: Nahrungsergänzungsmittel) nach Art 2 VO (EG) 178/2002. Das vom LVwG Steiermark ausgesprochene Verbot des Inverkehrbringens nach § 39 Abs 1 Z 1 LMSVG bleibt aufrecht, solange für die verwendeten Cannabinoid-Extrakte keine Novel-Food-Zulassung vorliegt. Ein bloßer Hinweis „nicht zum Verzehr“ ändert daran nichts, wenn die Gesamtaufmachung eine orale Aufnahme erwarten lässt.
Hintergrund
Das LVwG Steiermark untersagte das Inverkehrbringen der Produkte „Hanfama CBD Öl 5 %“ und „Hanfama CBD Öl 10 %“ bis zur Vorlage einer Zulassung nach der Novel-Food-VO (EU) 2015/2283. Herangezogen wurden u. a. ein AGES-Gutachten sowie die Produktaufmachung (Dosierpipette, Tropfengabe, Wort-/Bildsprache).
Entscheidung des VwGH
- Lebensmitteleigenschaft nach Art 2 VO 178/2002: Maßgeblich ist, ob „nach vernünftigem Ermessen“ die Aufnahme durch den Menschen zu erwarten ist. Das LVwG durfte – gestützt auf die festgestellten Tatsachen – von einem Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel ausgehen.
- Hinweis „nicht zum Verzehr“ greift nicht durch: Ein gegenteiliger Verpackungstext beseitigt die Lebensmitteleigenschaft nicht, wenn die Gesamtbetrachtung (Darreichungsform, Dosierhinweise, Bewerbung, Vertriebsumfeld) klar in Richtung orale Einnahme weist.
- Rolle des Sachverständigengutachtens: Das Gutachten der AGES dient der Tatsachenfeststellung; die rechtliche Qualifikation trifft das Gericht eigenständig.
- Prozessuales: Die außerordentlichen Revisionen zeigten keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG und wurden daher gem. § 34 VwGG zurückgewiesen.
Kernaussagen für die Praxis
- Novel-Food-Zulassung als Hürde: CBD-Öle ohne einschlägige Zulassung dürfen nicht in Verkehr gebracht werden. Behörden können Maßnahmen nach § 39 LMSVG anordnen (bis hin zu Vertriebs-/Werbeverboten).
- Gesamtaufmachung schlägt Einzelhinweis:
- Darreichungsform: Pipettenflasche, Tropfenskala, Einnahmeempfehlungen („x Tropfen täglich“) sprechen für Verzehr.
- Kennzeichnung & Claims: Begriffe wie „Öl“, „Aroma mit…“, „Premium-Qualität“, „100 % natürlich“, grafische Darstellungen von Mund/Tropfen, Verzehr-Anwendungsbezüge.
- Bewerbung & Umfeld: Platzierung in Nahrungsergänzungs-Rubriken, Influencer-Content zur oralen Verwendung, Kundenbewertungen zur Einnahme.
- Konsequenz: Selbst ein deutlicher Hinweis „nicht zum Verzehr“ genügt nicht, wenn die übrigen Elemente eine orale Verwendung nahelegen. Unternehmen sollten daher alle Elemente (Produktform, Etikett, Website, Shop-Kategorisierung, Social-Posts) konsistent ausrichten.
- Gutachten ≠ Rechtsfrage: Sachverständige - wie die AGES - klären Fakten; die rechtliche Einordnung bleibt Aufgabe des Gerichts – hier im Wege einer Gesamtbetrachtung zulässig.
- Compliance-Empfehlung: Bis zur EU-Zulassung kein Vertrieb als verzehrgeeignetes Produkt; Marketing- und Listing-Strategien anpassen, interne Freigabeprozesse etablieren.
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